2. Kapitel - Eine untaugliche Lösung: Die zivile Feldpost, 1870-1889

 

Die Feldpost der 5. Division vor ihrem Fourgon, um 1885. Das Fahrzeug ist eine Leihgabe der Zivilpost, die vier Beamten tragen Zivil und sind mit einer
Postmütze gekennzeichnet.

Die drei Soldaten (Plantons) mit dem
Posthornsignet auf der Mütze sind von der Truppe zugeteilt, der Mann rechts aussen ist als Postordonnanz mit einem Feldposthorn ausgerüstet.

Bild: PTT-Museum
Heute Museum für Kommunikation, Bern

 

2.1. Ihr Wirken während der Grenzbesetzung von 1870/71

Als beim Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges am 19. Juli 1870 der Bundesrat fünf Divisionen für die Besetzung der Nord- und Westgrenze aufbot, machte sich das Fehlen einer Feldpost unliebsam bemerkbar.

Die sich überstürzenden Kriegsereignisse im benachbarten Frankreich zwangen das schweizerische Armeekommando unter General Herzog sehr bald, die Truppenteile in rascher Folge zu verschieben. Beim häufigen Standortwechsel der Einheiten sah sich die Zivilpost schon nach wenigen Tagen ausserstande, die Postsendungen für die Kommandostellen und die Wehrmänner zuzustellen.

Die Lage wurde kritisch, umso mehr als auch der Armeetelegrafendienst grosse Schwächen zeigte. Zudem waren die Guiden durch die wachsenden Ansprüche der Truppenkommandos völlig überfordert. Die Zahl der Briefe und Pakete für die Wehrmänner schwoll dank der zugestandenen Portofreiheit (anfänglich bis 2 kg, ab 13.August 1870 bis 5 kg, portofrei waren auch die Post-Anweisungen) immer mehr an. Rasches Handeln war nun das Gebot der Stunde.

Auf Ersuchen des Armeekommandos delegierte das Eidgenössische Post- und Eisenbahndepartement bereits am 24. Juli 1870 Adjunkt Gürtler der OPD (Oberpostdirektion) ins Hauptquartier, von wo aus er als ziviler Chef der Feldpost die regelmässige Postversorgung der Truppe und ihrer Dienststellen zu organisieren hatte.

Am 25. Juli 1870 erliess der Generalstabschef eine "Dienstinstruktion für den schweizerischen Feldpostdienst"; am 31. Juli 1870 folgte die "Instruktion für die Feldpostbeamten der schweizerischen Armee". Aus beiden Erlassen geht hervor, dass dem Armeekommando besonders die Postbedienung der Kommandostellen am Herzen lag.

 

Linkes Bild
Instruktionen des Generalstabschefs für den schweizerischen Feldpostdienst, 25. Juli 1870

Rechtes Bild
Deutsche Übersetzung der Instruktion (Manuskript)

 

2.2. Die Postversorgung der Truppe

Für die aufgebotenen fünf Divisionen und sieben Brigaden zwischen Schaffhausen und Delsberg schuf man je eine FP, für welche insgesamt 30 Mann, die zivilberuflich bei der Post arbeiteten, aus ihren bisherigen Einheiten abkommandiert wurden. Diese FP dienten hauptsächlich als verlängerter Arm der Zivilpost und damit als
Bindeglied zwischen dieser und der Armee.

Sie führten keine eigene Rechnung und befanden sich in der Regel in den Räumen der örtlichen Poststellen. In erster Linie hatten sie die Postsendungen für die Truppe zu sortieren und weiterzuleiten; soweit nötig befassten sie sich auch mit der Verarbeitung des Postrückschubes via Zivilpost. Ende Juli kamen die ersten FP-Leitübersichten heraus, eine Art Verzeichnisse mit den jeweiligen Truppenstandorten.

Dieser junge, mehr aus rascher Improvisation als durch gründliche Organisation entstandene zivile FP-Dienst vermochte nur nach und nach Tritt zu fassen und funktionierte erst nach wenigen Wochen einigermassen normal.
Die Wehrmänner gaben ihre Sendungen unmittelbar bei der FP (sofern am selben Ort), beim Fourier, im Quartierbüro oder bei der nächsten Zivilpoststelle auf.

Ihre Briefe und Pakete mussten vorher mit dem Kommandostempel versehen werden, um die Portofreiheit beanspruchen zu können. Darüberhinaus schuf man besondere Briefumschläge mit dem Aufdruck "Eidg. Grenzbesetzung. Feldpost" zur kostenlosen Abgabe an die Wehrmänner und an die Bevölkerung.

Dieser auf die Zivilpost abgestützte FP-Dienst besass keine eigenen Transportmittel. Die beauftragten Ordonnanzen (sog. Plantons) der Einheiten holten die Sendungen bei ihrer FP ab und brachten allenfalls die Rückschubpost dorthin. Es kam vor, dass die FP private Fuhrwerke und Bespannungen mieteten und damit den Postnachschub bis in die Kantonnemente brachten.

Als sich die Kampfhandlungen immer entfernter von der Schweizergrenze abspielten, konnten die meisten Truppenbestände der Armee gegen Ende August 1870 entlassen werden, mit ihnen auch die zum FP-Dienst abkommandierten Postbeamten. Bis Mitte 1871 wurde der Postverkehr der wenigen noch im Dienst stehenden Einheiten wieder der Zivilpost überlassen.

Der Generalstabschef äusserte sich in seinem Jahresbericht pro 1870 wie folgt:
"Die Feldpost, welche erst gegründet werden musste, ist und bleibt eine Errungenschaft und wird einer bleibenden Organisation unterliegen". Die OPD (Oberpostdirektion) liess in ihrem Geschäftsbericht für das gleiche Jahr verlauten: "In Beziehung auf die umfangreichen Militärspeditionen während der Grenzbesetzung
leistete der zu diesem Zweck zum ersten Mal organisierte Feldpostdienst vorzügliche Dienste".

Als zu Beginn des Jahres 1871 die französische Ostarmee unter General Bourbaki von den deutschen Streitkräften gegen die Westgrenze der Schweiz abgedrängt wurde, entstand für unser Land eine bedrohliche Lage. Der Bundesrat entschloss sich deshalb zu neuen Truppenaufgeboten.

General Herzog liess die Westgrenze besetzen. Am 1. Februar überschritten 87'000 Mann der Bourbaki-Armee die Juragrenze zu den Kantonen Waadt und Neuenburg, liessen sich entwaffnen und in der Schweiz internieren.

Trotz der im Juli und August 1870 gemachten Erfahrungen hatte man es während dieser zweiten, offenbar überstürzten Mobilisation aus unerfindlichen Gründen unterlassen, erneut eine Feldpost zu schaffen, und man überliess den Postverkehr der Truppe kurzerhand der Zivilpost. Dabei musste man sich der Unmöglichkeit bewusst sein, die Geheimhaltung der Operationen und Truppenstandorte ohne einen FP-Dienst sicherzustellen.

Die Folgen liessen nicht auf sich warten. Die Poststellen im Truppenbereich waren gänzlich überfordert. Vor allem der Nachschub stand mehrmals am Rande des Zusammenbruchs. General Herzog hielt mit seinem Urteil über diesen Missstand im Armeebericht über die Grenzbesetzung von 1871 nicht hinter dem Berg und bezeichnete die Postversorgung als "erbärmlich".

 

2.3. Der Postdienst für die Internierten der Bourbaki-Armee

Mangels eines FP-Dienstes blieb auch der Postverkehr der Internierten Sache der Zivilpost. Da die französischen Wehrmänner ziemlich gleichmässig auf die ganze Schweiz verteilt wurden, ergaben sich daraus keine grösseren Schwierigkeiten.

Die kantonalen Militärbehörden waren für die Übernahme der Postsendungen bei den Poststellen und für die Weiterleitung an die Lagerchefs verantwortlich.

Für die Briefpost der Internierten zwischen der Schweiz und dem unbesetzten Frankreich bestand Portofreiheit. Zu diesem Zweck wurde ein roter Klebzettel mit dem Aufdruck "Militaires français internés en Suisse. Gratis" abgegeben.

 

Klebzettel für die Briefe der in der Schweiz internierten französischen Soldaten der
Bourbaki-Armee, 1871

 

 

Bis Ende März 1871 wurden die letzten Kontingente der Bourbaki-Armee wieder nach Frankreich zurückgeführt. Am 10. Mai fand der Deutsch-Französische Krieg offiziell sein Ende.

 

Quellenangabe:
Festschrift: "100 Jahre Feldpost in der Schweiz 1889 - 1989" von Arthur Wyss , herausgegeben im Jahre 1989 im Auftrage der Generaldirektion PTT, Bern. Wir danken herzlich dem Autor und der Herausgeberin für die freundliche Zustimmung um Verwendung
von Bild- und Textmaterial. Sämtliche Urheberrechte verbleiben bei Die Schweizerische Post, Bern.