Name
Der Schulsilvester
 
       
Text Der ehemalige Sinn des Schulsilvesters

Alle, die in der Stadt Zürich die Schule besucht haben, kennen das A und O dieses Treibens, das frühmorgendliche lärmende und übermütige Umherziehen am letzten Schultag des Jahres.

Der Silvester in der Stadt Zürich hat zwar Tradition, ist er doch erstmals 1775 aktenkundig. In den letzten Jahren entwickelte er sich jedoch hin zu einer Fülle von aufwändigen Events; der ursprüngliche Sinn des Volksbrauchs ist praktisch niemandem mehr bekannt. Aus diesem Grund beschlossen die Schulpräsidentinnen und Schulpräsidenten (im Einklang mit den Lehrpersonen), den letzten Schultag des Jahres ab sofort neu zu gestalten.

Der Silvester wurde ursprünglich mit viel Lärm und Eifer am 31. Dezember gefeiert und zählte zu den Zürcher Altjahrsbräuchen und den einst weit verbreiteten Lärmbräuchen zwischen Weihnachten und Dreikönigstag. Da es sich bei diesem Brauch um ein Fest vorwiegend für Kinder und Jugendliche handelt, wurde er später auf den letzten Schultag des Jahres verlegt, und so bürgerte sich der Name Schulsilvester ein.

Am frühen Morgen schwärmte man lärmend auf den Strassen herum. Wer an diesem Tag zuletzt aufstand oder als letzter in die Schule kam, wurde von den andern ausgelacht und Silvester genannt.

Textquelle basierend auf : Medienmitteilung vom 14. Juni 2004

 

       
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Bildtext Schulsylvester 1951: Lärmende Kinder mit Hörnern bewaffnet in den Gassen Zürichs.
Bildquelle Aufnahme: Boog (COMET) / © ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Beachten Sie vor einer allfälligen Bildnutzung die Lizenzbedingungen "Creative Commons" zu diesem Werk.
   
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Bildtext Schulsylvester 1951: Gewusst wie, dieser Konditor hat die lärmende Menge rasch auf seine Seite gebracht und wird förmlich umringt.
Bildquelle Aufnahme: Boog (COMET) / © ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv / Beachten Sie vor einer allfälligen Bildnutzung die Lizenzbedingungen "Creative Commons" zu diesem Werk.
   
Text Vom Ende des Examenweggens

So wie sich die Sprache im Laufe der Jahrzehnte gewandelt hat, so ändern sich auch Bräuche oder gehen vergessen. Wer denkt beispielsweise heute noch an den Examenweggen? Ein kleines Brot, dass die Schüler zusammen mit den Zeugnissen am Schuljahresende erhielten.

Der Examenweggen wurde abgeschafft, da er nicht mehr zeitgemäss sei. Vielerorts wird dafür am Besuchstag in der Schule Kaffe und ein Gipfeli gereicht.. Der Schuljugend ist der Begriff des Examenweggens heute jedenfalls kein Begriff mehr. Mit dem Schulsilvester verhält es sich gleich. Kaum jemand kennt heute noch den ursprünglichen Sinn, Zerstörungswut und Vandalismus nahmen Überhand.

Weshalb verschiedene Schulgemeinden diesen Brauch ebenfalls abgeschafft haben. Der Schulsilvester hat sich in den letzten Jahren immer mehr zu einem bereits am Vorabend stattfindenden Event gewandelt. Entsprechend musste für Vorbereitung und Begleitmassnahmen ein aussergewöhnlich hoher Personalaufwand geleistet werden.

Um den riesigen Aufwand wieder auf ein erträgliches Mass zu reduzieren, beschloss die Konferenz der Schulpräsidentinnen und Schulpräsidenten, auf sämtliche Veranstaltungen am Vorabend und in den frühen Morgenstunden des Schulsilvesters zu verzichten. Am letzten Schultag des Jahres dauert die offizielle Unterrichtszeit von 08.00 bis 12.00 Uhr.

Wie der Jahresausklang gestaltet wird - besinnlich, stilvoll, mit Theater, Film oder Musik - , können die Lehrpersonen bzw. die Schulen individuell festlegen. Die neue Regelung trat erstmals am 22. Dezember 2004 in Kraft.

Textquelle basierend auf : Medienmitteilung vom 14. Juni 2004

 

       
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Bildtext Schulsylvester 1951: Das höchste der Gefühle, wie die Erwachsenen rauchen.
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Bildtext Schulsylvester 1951: Die Mädchen artig daneben beim Hörner blasen.
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Text Von ausgehängten Gartentoren und gesprengten Briefkästen

Leider ist in den vergangenen Jahren der alte Brauch des "Schulsilvesters" von einzelnen Jugendlichen und Halbstarken missbraucht worden. Hatte man sich ursprünglich noch damit begnügt mit Pfannendeckeln und Tröten lärmend durchs Niederdorf zu ziehen und die Nachbarn mit der Haustürglocke zu wecken (wenigstens die paar wenigen die vom übrigen Lärm noch nicht geweckt wurden).

Besonders fies war es den Taster der Türglocke mit einem Streichholz zu blockieren und so die Türglocke auf Daueralarm zu schalten. Im Laufe der Zeit wurden die "Spässe" ein wenig derber. Begnügte man sich dabei anfänglich einzelne Gartentore auszuhängen und zu verstecken oder parkierte Autos mit Toilettenpapier einzuwickeln wurden plötzlich reihenweise Briefkästen mit Feuerwerk gesprengt.

Ich selber durfte schon öfters die Überreste von gelben Postbriefkästen und deren versengten bis verbrannten Inhalt zusammennehmen. In Detektivarbeit wurde versucht die Empfänger oder Absender der Briefe zu eruieren und mit einem Entschuldigungsbrief weiter auf die Reise zu schicken. Ein immenser Zeitaufwand vom Sinn und Zweck dieses Unfugs und den Kosten gar nicht zu sprechen.

Auch ereigneten sich immer wieder Unfälle leichtere aber auch schwerere wie zum Beispiel am Schulsilvester im Jahre 2000. Zwei Kinder im Alter von 14 und 9 Jahren hantierten dabei unsachgemäss und verbotenerweise mit Feuerwerk. Beide verletzten sich dabei, das ältere Kind sogar sehr schwer. All diese Ausartungen und Vorfälle haben dazu beigetragen, dass das Schuldepartement die bisherige Form des Schulsilvesters im Jahre 2004 abschaffen musste.

Dank diesem Entscheid und dessen Durchsetzung konnten alleine schon die Städtischen Verkehrsbetriebe Zürich eine deutliche Abnahme der Vandalenakte bei Billetautomaten an diesen Tagen verzeichnen. So waren es im gleichen Jahr der Abschaffung des Schulsilvesters 189 beschädigte oder blockierte Automaten weniger als im Vorjahr.

 

       
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Bildtext Schulsylvester 1951: Kinder mit Laternen bewaffnet rennen durch die Gassen und ziehen einen kleinen Jungen in einem Leiterwägeli mit.
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Bildtext Schulsylvester 1951: Mit Pfannendeckeln und Leiterwägeli unterwegs.
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Text Schulsilvester im Jahre 1902

Was ist das für ein unheimlicher Schauerlärm, der am Dienstag vor Weihnacht die Bewohner des Kreises III aus süssem Schlummer aufstörte? Noch ist's finstere Nacht, da geht auf den Gassen ein Höllen-Spektakel los, wie wenn die Polytechniker dem Herrn Professor eine ihrer klassischen Katzenmusiken bringen wollten.

Das tut auf Hörnern, die als ehrwürdiges Erbe aus der Pfahlbautenzeit auf Neu-Zürich herunter-gekommen sind, dazu paukt es auf Pfannendeckeln und anderm geeigneten Blech, dazu ein markdurchdringendes Geheul und Geschrei! Was hat das zu bedeuten? Ist der Rumor der der Arbeitslosen in Buda-Pest unsern Leuten in den Kopf gestiegen und fangen sie etwa auch an, zu revoluzzen?

Doch nein, es ist ein sehr unschuldiger Lärmkrawall; denn plötzlich geht das unheimliche Geheul in den deutlichen Ruf aus zwanzig Kinderkehlen über: "Sylvester, Sylvester!" Rasch zieht die kleine Spektakel-Bande vorüber und in der Ferne verhallt ihr schrilles Getön.

Doch bald naht aus einer andern Gasse eine zweite heran, offenbar wetteifernd mit ihren Konkurrenten, und sucht die abgezogene in suribundem Blasen, Pauken und Schreien noch zu überbieten. So gehts gegen zwei Stunden in der Nacht, bis der mitleidige Tagesanbruch dem ersten Akt des hochernst genommenen Dramas "Schul-Sylvester" ein Ende bereitet; denn vor dem hellen Tag scheut der nächtliche Höllenspuk unwillkürlich zurück.

Jetzt aber wird's vor den Schulhäusern lebendig, wie in einem aufgeregten Ameisenhaufen. Lange vor Schulbeginn ist die Jugend schon vollzählig versammelt, bis auf die wenigen unglücklichen Phlegmatiker, sie sich an diesem verhängnisvollen Morgen verschlafen haben.

Schnell sind sie herausdividiert und jetzt geht das Halloh erst recht wieder los. Aber diesmal möglichst manierlich und mit einem gewissen harmonischen Festgepränge. Da zieht eine Mädchenklasse von dreissig blond- und braungelockten Engelsköpfchen paarweise in feierlich abgemessenem Schritte zum Hause der verschlafenen Gespielin und singt gar lieblich in den frisch-klaren Morgen hinein:

"Sylvester stand uf! Streck d'Bei zum Bett us -
Nimm's Steckli i d' Hand und zieh' über's ganze Land!"

Und die kleine Sylvester-Schwester kommt mit verschämten Wangen die Treppe herunter, wenn sie nicht vorzieht, Unwohlsein vorschützend, sich im warmen Bettlein vor dem nie fehlenden Spott und Ausgelachtwerden zu verbergen.

Dort spät eine Schar Erstklässler noch einen verspäteten Gesellen aus; richtig, da erscheint er an einer Strassenecke, und wie ein Ritt Rebhühner stürmt die ausschwärmende Schar im Laufschritt ihm entgegen, ihn umringend, umtobend, umarmend und die zappelnde Sylvester-Beute mit sieghaftem Hurrah ins Schulzimmer schleppend.

Da drüben hat eine halbe Kompanie Sechsklässler ihren Sylvester glücklich eingefangen. Der wird nach alter Sitte sofort an Armen und Beinen gepackt und von den vier stärksten Mitschülern in stolzem Triumphzug auf den Schultern ins Schulhaus getragen.

Er mag sich gegen die verwünschte Ehre wehren so viel er will; es nützt nichts, im Nu hat er den Boden unter den Füssen verloren und die flinken Jäger tragen stolz das erlegte Edelwild davon inmitten der jauchzenden Gefährten.

"Wohi wänd ihr jetzt no?" fragte ich ein Dutzend grösserer Mädchen, die alle in einer Reihe mit verschränkten Armen daherzogen. "De Lehrer go abhole!" hiess es mit verschmitztem Lachen. Gottlob dachte ich, diesmal ist doch die "Religion" nicht der Schul-Sylvester geworden!

Quelle: Zürcher Wochen-Chronik vom 4. Januar 1902 (H. Hl.)

 

       
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Bildtext Schulsylvester 1951: Hier wird wohl gerade der Lehrer oder die Lehrerin mit einem Juxtelefon frühzeitig aus dem Schlafe des Gerechten geholt.
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Bildtext Schulsylvester 1951: Friedlicher aber lärmiger Sylvesterschluss dann auch in der Schule.
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